Anna


1989 begann das Abenteuer. So würden es eventuell meine Eltern beschreiben. Ich bin in Cloppenburg geboren, spontan, habe meiner Mama eine Party "versaut". Geplanter Geburtsort: Münster. Eine Fahrradstadt - ich hasse Fahrrad fahren. Offenbar wusste ich von Anfang an wo ich hingehöre, denn mein Bettnachbar war ein Junge. Der, wie sich herausstellen sollte, die Liebe meines Lebens ist. Verrückt? Klingt wie in einem Hollywood Kitschfilm? JA! Aber es ist wahr.

Meine Brüder, zwei habe ich davon, werden es vermutlich zwischendurch als Alptraum bezeichnen. Abenteuerlich war es dennoch hin und wieder. Ich war/bin ein Dickkopf, pädagogisch wertvoll würde man eventuell "willensstark" sagen. Woher ich das weiß? Später...

Nachdem meine Eltern entschieden haben, dass sie von Münster in das winzige Dorf Essen (Oldenburg) ziehen wollen war klar, dass ich es wirklich schon immer wusste, denn dieses Dorf liegt im Landkreis Cloppenburg. Der Kreis schließt sich.

Sie kannten hier einfach NIEMANDEN. Ich stell es mir wie in einer gelungenen amerikanischen (Vorstadt)Serie vor, wie meine Eltern mit ihrem Umzugswagen vorfuhren und die Nachbarn aus den Fenstern starrten, zum Hörer griffen und "DIE NEUEN SIND DA" hinein flüsterten.


Vermutlich war es anders, denn kaum einer weiß heute noch das wir die Zugezogenen sind, ich merke es aber immer wieder wenn eine Freundin sagt: "Weißt du nicht wer das ist? Das ist die Schwester von der Nachbarin von der Cousine meiner Arbeitskollegin." Spätestens bei der Nachbarin war ich raus.


Nachdem ich eine Kindheit hatte, an die ich mich gerne erinnern würde, es aber nicht kann, zeigen die Bilder aus der Zeit, dass mein Papa ein tollen Blick fürs Bild hatte und wir eine sehr glückliche Kindheit mit viel Familienzeit und tollen Erlebnissen.


Mit meiner Schullaufbahn möchte ich euch nicht langweilen, aber nachdem ich meinen Realschulabschluss und mit einem kleinen Hänger auch mein Abi gemacht hatte, trieb es mich nach einem Jahr Praktikum in die Heilerziehungspflege. Und dort, ja dort saß tatsächlich der Junge mit dem ich mir schon im September 1989 ein Zimmer teilte. Damals passten noch unsere Mütter auf was wir da so machten, in der Schule waren wir dann "unbeobachtet" und lernten uns besser kennen. Ich sag gerne: "Am Anfang der Ausbildung lernten wir uns kennen, währenddessen lieben und am Ende haben wir 4 Wochen nach der Examensfeier geheiratet."


Zusammen ging es dann für 4 Jahre nach Hamburg... Ja, hätte ich da mal schon so viel fotografiert wie jetzt... Aber was soll ich mich ärgern, es sollte so sein denke ich.

Nach 4 Jahren, einem Familienmitglied mehr und einem abgeschlossenen Studium ging es dann zurück in die gemeinsame Heimat. Hier fand Philipp seinen Traumjob direkt in unserem Dorf und ich startete nach der Elternzeit in den wohl aufreibendsten Job den ich je hatte oder jemals wieder haben werde, denn das wird mir so schnell nicht wieder passieren.

BurnOut. Ein Begriff den ich immer unglaublich weit von mir wegschob, aber rückblickend muss ich sagen, war der zweite Strich auf dem Test meine Rettung und in diesem Fall rede ich nicht von einem Coronatest, auch wenn die Pandemie zeitgleich an der Tür klopfte.


Familienmitglied No. 4 in meinem Bauch, Pandemie vor unserer endliche eigenen Tür, Beschäftigungsverbot als meine Rettung. Ob ich hier jemals hier darüber schreiben werde was beruflich vorgefallen ist kann ich nicht sagen. Solche Wunden heilen langsam und sie sind grad ziemlich gut verschlossen. Während meiner Zeit dort, versuchte ich schöne Momente einzufangen und tat dies mit meiner Kamera. Die Eltern und meine Kollegin, die einer der tollsten Menschen ist die ich kennenlernen durfte, waren begeistert. Ich durfte Kolleg*innen fotografieren für die Mitarbeiterwand und fand wieder gefallen an meiner Spiegelreflex die schon so lange im Schrank lag.


Im Januar 2020 durfte ich eine Taufe fotografisch begleiten. Kaum zu glauben, dass das wirklich jemand wollte. Aber ich muss sagen, ich liebe die Bilder noch heute, auch wenn sich meine Qualität doch verändert hat.


Die Pandemiezeit nutze ich zum heilen und um wieder zu lernen glücklich zu sein, was mir nicht so richtig gelang, denn Sorgen schwangen mit. Dennoch: Diese Zeit war meine Zeit. Ich lag mit unserem Kind im Bett, es schlief auf meinem Bauch und dementsprechend auf seinem kleinen Geschwisterchen und ich sah mir die Pressekonferenzen an. Ich dachte darüber nach wie es weitergehen würde. Nach dem ersten großen Lockdown wollten die Menschen ihre Erinnerungen mehr denn je eingefroren haben. Und so kamen plötzlich Anfragen für Babybäuche, Hochzeiten und Familienfotos.


Mitten in der Pandemie, schwanger, gebrochen und motiviert stand ich dann vor der großen braunen Rathaustür, nicht ahnend, dass ich vor dieser Tür noch sehr sehr oft mit meiner Kamera stehen werde.


Juli 2020 - Anna Nacke Fotografie war gegründet. Gegründet? Gehöre ich jetzt zu diesen coolen Gründer*innen Dudes oder bin ich noch einfach Anna mit der Kamera die nicht wusste in welche Richtung es laufen würde? Ich entschied mich für „einfach Anna“ und konnte mit Komplimenten für meine Arbeit kaum umgehen.

Warum fanden die Menschen diese für mich normalen Bilder so besonders?

Ich fing die Menschen so ein, wie ich sie sah. Echt. Das war es offenbar. Und ich lernte, dass ich es Menschen erleichtern konnte sich selbst schön zu finden indem ich sie nicht in Posen zwängte oder Dinge tun ließ die sie nicht fühlten. Ich ließ sie einfach sie selbst sein und hielt drauf. Das klingt einfacher als es ist, aber ich hab es lieben gelernt und so wie ich dies lieben lernte, lernte ich auch mich wieder mögen.


Im November war Familienmitglied No. 4 dann da, im November durfte ich dann prompt zwei Babybäuche fotografieren. Ich hielt es im Rahmen, denn wusstet ihr, dass ich jeden Cent an die Elterngeldkasse abdrücken musste? Nein? Ja, ich auch nicht … Aber wie gesagt, durch den MiniMenschen der hier nun wohnte, musste ich mich eh sehr zurückhalten.


Während meiner Elternzeit kündigte ich zum Elternzeitende selbstverständlich den Job, der mich nie wieder sehen sollte. Es war komisch und ich hatte meiner Kollegin gegenüber ein unglaublich schlechtes gewissen, musste mich aber fragen, wer in meinem Leben wirklich wichtig war und das war meine Familie und ich und meine psychische Gesundheit.